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Barrierefreie Webseiten – Was gilt ab Juni 2025 ?
Im kommenden Jahr 2025 müssen viele Unternehmen sich eingehend mit den barrierefreien Webseiten und Apps beschäftigen. Denn am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft, welches bereits am 16. Juli 2021 erlassen wurde. Dieses beruht auf der EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit (European Accessibility Act). Öffentliche Einrichtungen waren bereits in großen Teilen zur barrierefreien Gestaltung ihrer Website verpflichtet. Was sich diesbezüglich nun auch für Unternehmen ändert und was es insgesamt mit diesem neuen Gesetz auf sich hat, beleuchten wir übersichtlich in diesem Blogbeitrag.
Das neue Gesetz – BFSG – Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) beschäftigt sich inhaltlich mit der Pflicht von privaten Unternehmen bestimmte Produkte und Dienstleistungen barrierefrei anzubieten. Hierbeigeht es demnach maßgeblich um eine digitale Barrierefreiheit. Konkrete Einzelheiten ergeben sich aus der Rechtsverordnung und den Leitlinien zum BFSG.
Der Zweck des BFSG ist es, im Interesse der Verbraucher und Nutzer die Barrierefreiheit von näher bestimmten Produkten und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 BFSG).
Barrierefreie Webseiten sollen sicherstellen, dass alle Menschen, einschließlich derer mit Behinderungen, gleichermaßen Zugang zu digitalen Inhalten und Dienstleistungen haben. Bei der Barrierefreiheit geht es maßgeblich darum dem Ziel einen Schritt näher zu kommen, dass alle Menschen in Deutschland und in Europa in so vielen Bereichen wie nur möglich ein selbstbestimmtes Leben führen können. Zur Erreichung dieses Ziels soll auch das BFSG beitragen. Es soll gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen und Einschränkungen gleichermaßen an diversen Produkten und Dienstleistungen teilhaben können sollen. Da das BFSG die EU-Richtlinie zur Barrierefreiheit in deutsches Recht umsetzt, gelten hierfür europaweit die gleichen technischen Anforderungen und Informationspflichten. Sinn und Zweck der Schaffung einheitlicher Anforderungen ist es, die sich zuvor teilweise widersprechenden Anforderungen an die Barrierefreiheit zu harmonisieren. Die einheitlichen Regelungen sollen den Binnenmarkt stärken und kostengünstigere barrierefreie Produkte und Dienstleistungen innerhalb der EU ermöglichen.
Das BFSG trifft Regelungen beispielsweise zu folgenden Dienstleistungen und Produkte, die nach dem 28. Juni 2025 für den Verbraucher erbracht oder in den Verkehr gebracht werden:
Dienstleistungen:
- Telefondienste
- E-Book Software
- Messenger-Dienste
- Auf Mobilgeräten angebotene Dienstleistungen im überregionalen Personenverkehr
- Bankdienstleistungen
- Elektronischer Geschäftsverkehr
- Personenbeförderungsdienste
Produkte:
- Computer
- Notebooks
- Tablets
- Smartphones
- Selbstbedienungsautomaten wie z.B. Geldautomaten
- E-book-Lesegeräte
Eine nähere Definition der betroffenen Produkte ergibt sich aus § 1 Abs. 2 BFSG, betroffene Dienstleistungen für Verbraucher ergeben sich aus § 1 Abs. 3 BFSG.
Eine Übergangsfrist gibt es grundsätzlich nicht mehr, so dass ab dem 28. Juni 2025 die betroffenen Produkte und Dienstleistungen barrierefrei in den Verkehr gebracht werden müssen. Etwaige Ausnahmen ergeben sich aus § 38 BFSG.
Was gilt ab 2025? Was bedeutet barrierefreie Webseites?
Konkret müssen die betroffenen Produkte, die ab dem 28. Juni 2025 in den Verkehr gebracht bzw. betroffene Dienstleistungen, die angeboten werden, die im BFSG vorgeschriebenen Standards zur Barrierefreiheit erfüllen. Produkte und Dienstleistungen sind als barrierefrei anzusehen, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind (§ 3 Abs. 1 Satz 2 BFSG). Die konkreten Anforderungen, die eingehalten werden müssen, um diesem neuen Standard zu genügen, sollen durch Rechtsverordnung konkretisiert werden (§ 3 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 BFSG).
Die Produkte müssen sodann einem entsprechenden Konformitätsverfahren standhalten.
Der Hersteller muss außerdem eine EU-Konformitätserklärung ausgestellt (§§ 6 Abs. 1 Nr.3, 18 BFSG) und eine CE-Kennzeichnung angebracht haben (§ 6 Abs. 1 Nr. 4, 19 BFSG).
BFSG – Wer ist betroffen?
Das BFSG richtet sich an sämtliche Hersteller, Händler und Importeure der in § 1 Abs. 2 BFSG aufgeführten Produkte sowie an die Anbieter der in § 1 Abs. 3 BFSG genannten Dienstleistungen. Für sogenannte „Kleinstunternehmen“ gelten jedoch besondere Regeln: Kleinstunternehmen, das heißt Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von maximal 2 Millionen Euro (vgl. § 2 Nr. 17 BFSG), fallen grundsätzlich nicht unter die Regelungen des BFSG, sofern sie Dienstleistungen anbieten oder erbringen (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BFSG). Anders verhält es sich jedoch bei Kleinstunternehmen, die die in § 1 Abs. 2 BFSG aufgeführten Produkte auf den Markt bringen: Für diese Unternehmen gelten die neuen Vorschriften uneingeschränkt und müssen entsprechend beachtet und umgesetzt werden.
BFSG im B2B-Bereich
Eine weitere Differenzierung findet zwischen Unternehmen, die ihre Leistungen Verbrauchern anbieten (B2C) und Unternehmen, die ihre Leistungen ausschließlich anderen Unternehmen anbieten (B2B) statt.
Das BFSG findet ausschließlich im B2C-Bereich Anwendung und regelt die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen, die speziell für Verbraucher bestimmt sind. Dienstleistungen, die hingegen ausschließlich für den B2B-Sektor angeboten werden, unterliegen nicht den Regelungen des BFSG. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die angebotenen Leistungen sich nicht nur ausschließlich an Unternehmen richten, sondern Verbraucher diese auch entgegen dieser Zielsetzung in keinem Fall in Anspruch nehmen können.
Wird eine Dienstleistung jedoch so gestaltet, dass sie auch von Verbrauchern in Anspruch genommen werden kann, liegt eine Dienstleistung im elektronischen Geschäftsverkehr gegenüber Verbrauchern vor, und das BFSG greift in diesem Fall dennoch. Unternehmen, die dies vermeiden möchten, sollten ausdrücklich und unmissverständlich klarstellen, dass ihre Verträge ausschließlich mit gewerblichen Kunden abgeschlossen werden. Zusätzlich empfiehlt es sich, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass Bestellungen durch Privatkunden ausgeschlossen werden.
Barrierefreie Website– Pflichten der Online-Händler
Ein besonderes Augenmerk ist auf die betroffenen Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr zu legen. Das sind nach der Legaldefinition des § 2 Nr. 26 BFSG Dienstleistungen der Telemedien, die über Webseiten und über Anwendungen auf Mobilgeräten angeboten werden und elektronisch und auf individuelle Anfrage eines Verbrauchers im Hinblick auf den Abschluss eines Verbrauchervertrags erbracht werden. Sowohl die Bereitstellung von Informationen, die auf den Abschluss von Verträgen abzielen, als auch der Prozess bis hin zum Bezahlvorgang müssen barrierefrei gestaltet sein.
Maßgeblich hervorzuheben ist hierbei erneut, dass es sich explizit um Websites handelt, die sich an Verbraucher richten (B2C) und entsprechend auf Abschlüsse von Verbraucherverträgen gerichtet sind (Vgl. § 310 BGB). Der B2B Bereich ist auch hier explizit ausgeschlossen. Eine weitere Beschränkung auf bestimmte auf der Website angebotene Dienstleistungen oder Produkte gibt es nicht, so dass hiervon eine Vielzahl von Unternehmen betroffen sein dürften.
Sofern auf Websites der Abschluss von Verbraucherverträgen möglich ist und somit ein barrierefreier Bestellprozess gewährleistet werden muss, gelten die Anforderungen der Barrierefreiheit nicht für alle Unterseiten einer Website. Barrierefrei müssen letztlich nur die Teile einer Website sein, die den Abschluss eines Verbrauchervertrages fördern. Nicht betroffen sind hingegen abgrenzbare Bereiche einer Website, die sich an bereits bestehende Vertragskunden richten oder lediglich zur Bereitstellung von Informationen dienen, ohne auf den Abschluss von Verbraucherverträgen abzuzielen.
Von dem Erfordernis der Barrierefreiheit können auch E-Mails betroffen sein, sofern diese auf den Abschluss eines Verbrauchervertrages oder eine Vertragsänderung abzielen (z.B. neue AGB).
Barrierefreiheit auf Websites von Unternehmen
Je nach Inhalt und Zielsetzung der Website eines Unternehmens könne unterschiedliche Anforderungen an die Barrierefreiheit nach dem BFSG bestehen.
Online-Shops und Barrierefreiheit
Das BFSG gilt nur für solche Websites, die die Möglichkeit bieten, online Verträge abzuschließen. Dies betrifft insbesondere Online-Shops und Plattformen wie Online-Marktplätze, die als Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr eingestuft werden. Handelt es sich um eine Website mit gemischten Inhalten – also eine Kombination aus Informationsangeboten und Funktionen zur Vertragsabwicklung – fallen lediglich die Bereiche unter das BFSG, die direkt mit dem Vertragsabschluss gegenüber Verbrauchern verknüpft sind. Hierbei umfasst die Regelung alle Elemente der Website, die den Verkaufsprozess unterstützen. Es ist daher möglich, dass bei ein und derselben Website bestimmte Abschnitte einer Webseite unter die Anforderungen des BFSG fallen, während andere davon ausgenommen sind.
Online-Marktplätze und Barrierefreiheit
Das BFSG wird auch für Online-Marktplätze wie eBay oder Amazon relevant. Hierbei trifft den Betreiber des Online-Marktplatzes die Pflicht, den Anforderungen des BFSG an Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr nachzukommen. Sofern der Betreiber seinen Pflichten, den Online-Markplatz barrierefrei zu gestalten, nicht nachkommt, kann jedoch auch der Händler, der seine Produkte auf dem Online-Marktplatz betreibt, hierfür haften müssen. Das gilt insbesondere, sofern dieser davon positive Kenntnis hatte (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BFSG).
Internet-Foren und Barrierefreiheit
Auf vielen Websites besteht die Möglichkeit, dass Nutzerinnen und Nutzer sich in einem Forum austauschen können. Sofern dies der maßgebliche Sinn und Zweck eines entsprechenden Forums ist, muss auf dieser Website keine Barrierefreiheit nach BFSG gewährleistet werden. Sofern eine Website mit Forum maßgeblich zur Förderung des Abschlusses von Verträgen mit Verbrauchern dienen sollt, müsste auch hier die Barrierefreiheit nach BFSG in Bezug auf Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr berücksichtigt werden.
Tools von Drittanbietern und Barrierefreiheit
Unternehmen und Selbstständige sollten bei der Einbindung von diversen Tools auf ihrer Website zur Herbeiführung gewünschter Funktionen berücksichtigen, dass auch diese die Barrierefreiheit nicht beschränken dürfen, sofern die Website unter das BFSG fällt. Auch hier gilt, dass der Inhalt der Website in den Verantwortungsbereich des Betreibers fällt, selbst wenn die eingebundenen Tools von Drittanbietern stammen. Denn ob entsprechende Tools eingebunden werden oder nicht, obliegt alleine dem Website-Betreiber.
Durchsetzung der Barrierefreiheit, Bußgelder und Abmahnungen
Die Einhaltung der neu gesetzten Standards wird durch die Bundesländer selbst im Rahmen der Marktüberwachung stichprobenartig kontrolliert, wobei die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hierbei unterstützend tätig werden soll. Die Wirtschaftsakteure trifft gegenüber der Marktüberwachungsbehörde eine Auskunftspflicht (vgl. § 35 BFSG). Sofern Verbraucherinnen und Verbraucher die neuen Standards als nicht korrekt umgesetzt empfinden und sich in ihren Rechten verletzt fühlen, können diese sich bei der Geltendmachung ihrer Rechte Unterstützung holen. Sie können in diesem Fall die in dem jeweiligen Bundesland zuständige Landesbehörde für Marktüberwachung kontaktieren und ein Einschreiten der jeweiligen Behörde verlangen (vgl. § 32 Abs. 1 Satz 1 BFSG). Sofern die entsprechende Landesbehörde diesem Ersuchen nicht nachkommt, steht es den Verbraucherinnen und Verbrauchern frei, den Rechtsweg über die Verwaltungsgerichte zu bestreiten. Denkbar ist außerdem, dass Verbraucherinnen und Verbraucher durch einen Verband vertreten werden.
Verbänden soll jedoch auch ein eigenes Verbandsklagerecht eingeräumt werden. Entsprechendes gilt für andere qualifizierte Einrichtungen. Sofern die Marktüberwachungsbehörde die Nichteinhaltung der Anforderungen nach dem BFSG feststellt, fordert diese zunächst den betreffenden Wirtschaftsakteur auf, diese Nichtkonformität zu beseitigen (vgl. §§ 23 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Satzs 1 BFSG).
Darüber hinaus können Ordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern bis zu 100.000 Euro belegt werden (§ 37 BFSG).
In Einzelfällen ist auch die gänzliche Untersagung der Bereitstellung etwaiger Produkte und Dienstleistungen denkbar.
Voraussichtlich werden die neuen Standards des BFSG als Marktverhaltensregel angesehen, so dass Verstöße gegen das BFSG gleichzeitig als Verstoß gegen das UWG abgemahnt werden können.
Fazit zur neuen Barrierefreiheit nach dem BFSG
Mit Inkrafttreten des BFSG treffen viele Unternehmen diverse Verpflichtungen rund um die Gewährleistung der Barrierefreiheit, die diese zwingend berücksichtigen und umsetzen sollten, um zeit- und kostenintensiven Verfahren und Bußgeldern zu entgehen. Die Wahrscheinlichkeit von einer erneuten wettbewerbsrechtlichen Abmahnungswelle ist ebenfalls hoch. Aufgrund der komplexen und differenzierten Regelungen der neuen Standards im BFSG ist jedem Unternehmen anzuraten, sich frühzeitig durch den Rechtsanwalt oder die Rechtsanwältin seines Vertrauens beraten zu lassen, um zu klären, welche Pflichten auf das Unternehmen zutreffen und wie diese korrekt umzusetzen sind. Mit Rechtsprechung zur Auslegung des BFSG und zur Klärung von Unklarheiten ist aufgrund der großen Relevanz schnell nach Inkrafttreten des BFSG zu rechnen.
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